Kleine Einführung für die LeserInnen
Als ich vor gut zwanzig Jahren meine homöopathische Ausbildung begann, wurde ich von meinem Lehrer D. med. E. Bauer nicht nur in die klassische Homöopathie nach Hahnemann, sondern gleich von Anfang an auch in die ergänzende Untersuchungstechnik nach Weihe eingeführt. Seither ist die Prüfung von arzneispezifischen Punkten an der Körperoberfläche auf Druckempfindlichkeit ein ganz wesentlicher Bestandteil meiner homöopathischen Diagnostik geblieben. Der Stellenwert, welcher nach meiner Erfahrung der Weiheschen Untersuchungsmethode zuzuordnen ist, kann etwa mit dem folgenden Bild umschrieben werden: Bekanntlich kann in der Homöopathie aufgrund von drei wirklich charakteristischen Symptomen bereits eine erfolgversprechende erste Mittelwahl getroffen werden, ganz ähnlich wie ein Stuhl auf drei Beinen bereits stehen kann. Wenn wir dieses auf den grossen Constantin Hering zurückgehende Bild etwas erweitern, ist die Weihesche Druckpunktuntersuchung gewissermassen das vierte Bein der Diagnostik, auf welchem die homöopathische Mittelwahl sicher zu stehen kommt. Die deutliche Empfindlichkeit eines oder mehrerer arzneispezifischer Punkte gegenüber der Umgebung ist somit nichts anderes als ein Zeichen hoher Wertigkeit, welches das klassisch-homöopathische Symptomenbild des Patienten ergänzt.
Jeder Befindlichkeit des menschlichen Organismus entspricht damit eine bestimmte Verteilung von empfindlichen Druckpunkten. Dementsprechend wirft auch das psychosomatische Erscheinungsbild einer bestimmten homöopathischen Mittelindikation schon sehr früh ein spezifisches Muster druckempfindlicher Punkte auf die Körperoberfläche, welches zur Diagnostik verwendet werden kann. Obwohl die Weihesche Schule aufgrund dieser Gesetzmässigkeit zumindest zeitweise den Anspruch erhob, allein mittels der Druckpunktdiagnostik zu einem brauchbaren therapeutischen Resultat zu kommen, ist dieses Verfahren nach heutigem Stand des Wissens aber keinesfalls ein Ersatz für die klassisch-homöopathische Basisdiagnostik. Von einem simplen Vorgehen nach dem Motto "Lass mich Deine Punkte drücken, und ich sage Dir, wer Du bist!" kann also nicht die Rede sein. Vor jeder Druckpunktuntersuchung steht eine genaue Diagnostik nach den Hahnemannschen Regeln! Die Weiheschen Punkte dienen also in erster Linie der Bestätigung einer soweit immer möglich bereits nach der klassischen Methode vollzogenen Mittelwahl. Die Druckpunkt-Methode kann jedoch auch die engere Wahl innerhalb einer bereits möglichst weit vorangetriebenen Differentialdiagnostik oder unter nahe verwandten Mitteln erleichtern. Besonders hilfreich ist sie in symptomarmen Fällen.